Khmer Geburtstag

Mein erstes Wochenende in meiner neuen Heimat habe ich sehr genossen. Am Samstag wurden alle Freiwilligen von der Chefin Phary zu ihrem Geburtstags eingeladen. Dazu ging es in einem Fahrradkorso abseits von Siem Reap in eine ziemlich ländliche Region (ca.30min vom Stadtrand entfernt). Vorbei an den vielen Hunden, hupenden Autos und über holperige Straßen fanden wir ein großes Haus. Im Untergeschoss befindet sich eine Schule und im Obergeschoss lebt Phary und ihre große Familie. Wir wurden herzlich empfangen und Phary strahlte über glücklich als alle mit Happy birthday anstimmten. Nach einem sehr süßen Eiskaffee sind wir alle gemeinsam via Rad weitergefahren. Nach einer Weile hielten wir vor einem Haus auf langen, dünnen Holzpfählen gebaut. Mir fiel sofort der kitschig leuchtende Weihnachtsbaum auf. Innen bot sich uns ein kleines

Paradies. Neben kleinen Tischen hingen viele gemütliche Hängematten und der Ausblick auf die ruhigen freien Felder war traumhaft und beruhigend. Gemeinsam hängten wir also eine Runde ab und nach nur kurzer Zeit wurde der Tisch gedeckt mit vielen traditionellen Gerichten und natürlich Angkor Bier (der Stolz der Khmer – und natürlich das Beste). Es gab Suppe mit Aal, scharfe Garnelen, exotisches Obst und Schlange. Ich habe aus Höflichkeit Schlange probiert und mich bemüht nicht angewidert zu kauen. Mein Verhalten war genauso, wie mein erster Versuch mit ca. 15 Jahren eine Auster zu “schlürfen“ . Anschließend gab es dann zum Glück zwei super leckere Torten mit viel Buttercreme (mein Magen war gerettet) . Dann haben wir noch viel geredet und natürlich gelacht. In tiefster Finsternis ging es dann mit den Rädern zurück und Papa , du glaubst gar nicht wie hell deine kleine Taschenlampe sein kann. Das Knurren der Hunde tat zu meinem Puls das Restliche. Trotzdem versuchte ich möglichst cool zu bleiben und kam gemeinsam mit den anderen munter in der Stadt an. Die Nacht war noch jung, also sind wir in eine mega tolle rooftop Bar gefahren und haben unter offenem Himmel, in großer Höhe und auf einer Halfpipe einen Cocktail geschlürft. Freya und ich haben dann noch etwas Tischkicker gezogt (mit einem alten Italiener) – als er wusste wo wir her kamen, sprang er auf und sagte : „Mamma Mia ! Germany is Worldcup Campion “. Natürlich haben wir verloren und er verriet uns, dass er jeden Abend dort spielt.

Am nächsten Morgen habe ich das Gefühl gehabt das Haus ein bisschen zu pflegen. Im Wohnzimmer habe ich die Stuhlkissen ausgeschüttelt und gefegt und dann wollte ich gerne das kleine Bambusregal mit den vielen Büchern an eine andere Wand ziehen. Das war bisher mein größter Fehler. An der Wand saß eine Tarantel und ich war ganz nah mit meinem Kopf an ihr dran und ging ohne einen Ton zu verlieren zu Freya ins Zimmer und erzählte ihr von meinem Fund. Ich konnte es gar nicht glauben. Freya kam und bestätigte. Wir standen nun ohne die männlichen Mitbewohner da und grübelten über einen konkreten Plan. Bei mir kam die Panik hoch, bei dem Gedanken, dass sich (I call her Tarantula – ca. 9cm Durchmesser) bewegen würde. Ich bekam

Herzrassen. In letzter Minute kam dann Philipp nach Hause und mir schossen vor Freude die Tränen in die Augen. Er nahm das giftige Spray, ich nahm Abstand und die Spinne schoss durch die Wohnung. In eine Ecke getrieben wurde sie mit einem Besen mit harten Borsten zerquetscht und momentan liegt die Leiche dort immer noch. An diesem Tag krabbelte es bei mir überall und ich schaute nur noch an Wände, in die Ecken und an die Decken. Nicht auszudenken, wenn ich mit solch einer alleine Zuhause wäre. Nach der Hinrichtung haben wir uns ein Bier auf dem rooftop gegönnt und ganz viel über die Spinnen – Aktion gelacht.


Gegen Nachmittag haben Freya und ich Janne getroffen (die ehemalige Freiwillige im Atelier). Gemeinsam mit ihr und den Näherinnen sind wir via Moto zu einem entfernten Khmer-Rummel

gefahren. Dort war es sehr schön. Wir haben gemeinsam gegessen – also naja für mich gab es heute zur Abwechselung Reis mit Soja Soße, denn an den Eiern mit halb entwickelten Küken konnte ich nichts abgewinnen. Mir wurde ganz anders bei dem Anblick, als die kleine Tochter einer Näherin das Küken nach dem Pellen auch noch wie eine Spielpuppe auseinander wickelte und genüsslich verschlang. Nach dem Essen haben wir uns den Rummel angesehen und den Geburtstag von Someas gefeiert. Freya schenkte ihr Pfeile für das Luftballon-Abschießen und ich kaufte eine große Popkorn. Someas war überaus glücklich und sehr sehr dankbar. Dies sei der bisher schönste Geburtstag für sie gewesen. In der Dunkelheit ging es zurück und es war ein komplettes Chaos. Denn große Menschenansammlungen mit Moto und Autos und nur eine schmale Straße als Rückweg führen den spontanen Verkehr in den Abgrund. Wir haben alle verloren und brauchten sehr lange bis wir endlich in der Stadt waren und die anderen uns fanden.


Am Montag sind wir gemeinsam mit Janne zu KKO gefahren und sie hat uns nochmal alles gezeigt und konnte uns hilfreiche Tipps geben. Gemeinsam sind wir in die Läden geradelt, in denen unsere Produkte zur Zeit verkauft werden. Die Läden sind genau mein Fall. Und dazu habe ich alle Besitzerinnen (fast ausschließlich ultra ultra nette Japanerinnen) kennengelernt. Mir sind dabei für die berufliche Zukunft viele Ideen gekommen. Die Atmosphäre in den Läden erinnert stark an die stylischen Berliner Modeboutiquen. Ich freue mich mehr über das Verkaufen und den Absatz unserer Produkte zu erfahren. Ich muss nun regelmäßig dafür Sorgen, dass alle Produkte in den Läden vorhanden sind und ich die Ein- und Ausgaben kontrolliere. Ich hatte große Freude durch die Läden zu schlendern. Janne haben wir nun schon verabschiedet und sie sitzt im Flieger nach Deutschland. Momentan arbeiten wir die Produktpalette durch und kontrollieren die Qualität und die Arbeitsschritte. Es gibt viel zu optimieren und natürlich habe ich schon ganz viele tolle Ideen und bin gespannt wie sich diese am Touristen Markt etablieren können.


An alle : liebe, sonnige Grüße und bis demnächst …..



Kommentare: 1
  • #1

    Ingrid (Sonntag, 13 September 2015 19:00)

    Liebes Linchen,ich habe den Kommentar bzgl.der letzten 2 Wochen dummerweise an den ersten Eintrag geschrieben und habe mich meinen Gefühlen hingegeben.Lies es bitte dort. Du hast ein beeindruckendes Talent deine Erlebnisse und Empfindungen uns miterleben zu lassen, dass ich dich ermutigen möchte es am Ende in einem Buch zu veröffentlichen. Hab Dank,dass du so viel Zeit für Uns hast.
    Sei sehr lieb gegrüßt von Ingrid

Ende der zweiten Woche

Ich bin es schon wieder. Und die zweite Woche ist sehr schnell vergangen. So langsam lebe ich mich ein und gewöhne mich an die Lebensbedingungen. Am Mittwoch habe ich gelernt, wie die Näherinnen die Produkte fertigen und mir Notizen gemacht, welche Arbeitsschritte ich verbessern kann und wo es hapert. Das Team ist so toll und witzig. Meine Versuche Khmer zu sprechen bringt alle zum lachen und das macht großen Spaß und vor allem erlangt man auch schnell Respekt und versteht die Kultur viel besser. Die Tuk Tuk Fahrer warten vor den Märkten und rufen aufgeregt : „hello, hello Tuk Tuk, Lady“ und ich antworte ganz lässig : „khnom schi kong“ (ich fahre Fahrrad) und die Blicke sind dann natürlich unendlich witzig und danach hagelt es Komplimente. Ab und zu werde ich korrigiert und dafür bin ich dankbar.


Am Donnerstag (11.09) Abend habe ich an der ersten Zeremonie teilhaben dürfen. Ich war sehr beeindruckt über den Glauben und die Art der Feier. Schon von Weitem hörte man einen Mann laut durch ein Mikrofon sprechen und die Musik war auch sehr laut. Alles war mit einem rosa Himmel überdacht und am Eingang stand ein Mönch, der von mit 5Dollar in eine silberne Schalle gelegt bekam (Opfergabe und Spende). Er hob die Schalle an und ich faltete die Hände vor meinem Gesicht zusammen. Dann fing er an laut zu palabern und ich nickte immer nur lächelt. Anschließend musste ich mich in eine Liste eintragen und ich war der 101 Gast und bekam eine Packung Kekse geschenkt. Dann ging es in einen großen Saal mit kitschigen runden Tischen mit rosa Deckchen und Stühlen mit pinken Hussen und gelben Schleifen. Alle waren weiß gekleidet, außer ich in knall gelb. Aber das war nicht schlimm, da am nächsten Morgen die Feier fortgesetzt wurde und ich da auch in weiß erschien. Das Essen war wieder speziell, aber ich habe mir große Mühe gegeben aus Höflichkeit alles zu probieren. Nach dem Essen kamen Mönche und begannen die Zeremonie einzuleiten. Die Stimmen waren fast paralysierend und sehr beruhigend. Gespannt verfolge ich die Andacht. Die ältesten Menschen hatten sich um den Opfergabentisch mit Lichterketten gesetzt und wir durften nur von weitem Schauen. Dann gab es für jeden Gast eine Schale Reis. Ich wollte schon munter los essen, aber dafür war der Reis nicht gedacht. Alle hoben ihre Schallen und beteten. Anschließend bildeten wir eine Reihe und ich musste an vielen Töpfen vorbei, die ich mit dem Reis füllen sollte. Phary nuschelte nur: first one with spun an only one spun and second one …... (da waren ungefähr 10 Töpfe = 10 bereits verstorbene Familienmitglieder). Zu allem Übel wurde die Zeremonie auch noch gefilmt und ich hoffe sehr, dass ich nicht zu viel falsch gemacht habe.

Zum Ende hin gab es nochmal Essen und Musik und der Kameramann kam zu mir uns erzählte mir, dass ich aussehe wie eine bekannte Deutsch-Französische Schauspielerin und er war sehr begeistert. Ich bin nur rot angelaufen und habe gelächelt. Romy Schneider scheint doch ein wenig in mir zu stecken, da selbst in Südostasien die Menschen sie in mir entdecken.



An jedem Dienstag, Donnerstag und Samstag geben Freya und ich für die Tochter von Phary Deutschunterricht. Es macht mir großen Spaß zusehen, wie fleißig und ehrgeizig die Kinder hier sind. Monika möchte mal in Deutschland studieren und ihre zwei Freunde auch. Vor allem waren sie über die unterschiedlichen Dialekte erstaunt und mussten bei meinem bayerischen „Grüß Gott“ sehr lachen. Das Weitergeben von Wissen macht mir immer mehr Spaß und ich kann mir gut vorstellen in der Zukunft da anzuknüpfen.

Heute ist schon Sonntag und ich bin mit meinen Mitbewohnern in ein Hotel gefahren und wir waren in einem schönen Pool ganz für uns alleine. Anschließend ist mein hinter Reifen vom Fahrrad schon wieder kaputt gegangen und er musste wieder repariert werden. Es ist sehr schön, wenn die Besitzer der Läden sich an mein Gesicht erinnern können und dann fühle ich mich immer angekommen, angekommen in meiner neuen Welt.

Bis die Tage … und Grüße von weit, weit weg