Aufholbedarf

 01.04.2016 : Nun sitze ich hier und wieder ist ein Monat vorbei. Somit ist auch der erste Monat im neuen Zuhause gemeistert. Zu Beginn war alles ganz neu und aufregend, neue Mitbewohner, neue Sprache, neue Wege. Nun habe ich mich schon eingelebt und fühle mich sehr wohl. Besonders glücklich bin ich, dass es mit Dylan so toll und problemlos funktioniert. Wir ergänzen uns perfekt und er selbst, schätzt meine Anwesenheit sehr.

Ansonsten merke ich immer mehr, wie die Temperaturen steigen. Schon morgens auf dem Weg zur Arbeit sind gefühlte 38Grad bei sehr hoher Luftfeuchtigkeit. Die Temperaturen lassen mich schnell müde werden und mir wird häufig schwindelig. Während der Arbeit läuft mir der Schweiß an den Kniekehlen runter, dabei sitze ich die meiste Zeit nur an der Nähmaschine. Vom Rückweg möchte ich gar nicht sprechen, denn der Fahrradsattel ist von der Sonne so aufgeheizt, dass mein Sitzfleisch quasi gegrillt wird. Meist flüchte ich während der Mittagshitze und Pause zu Dylan, denn während ich von 7:30-17:00Uhr arbeiten muss, beginnt seine Schicht erst um 17:00Uhr in der Bar.

In unserem Zimmer sind angenehme sechzehn Grad, demnach fällt es mir sehr schwer mich nach 1,5h Stunden Mittagspause und Abkühlung wieder der beißenden Hitze auszusetzen. Die Sonne ist hier wesentlich extremer, ich habe das Gefühl, das sie hier dichter und größer ist.

Freya und ich müssen gerade lachen, denn vielleicht ist die Sonne hier näher an der Erde, als in Europa. Da war doch mal in Erdkunde irgendwas mit einem Äquator ;-) ?! Also falls jemand uns aufklären kann, unten befindet sich wieder ein Kommentarfeld.

 

Meine Kreativität

 

Die Arbeit läuft immer besser, endlich ist Freya aus ihrem Urlaub zurück und wir können wieder gemeinsam über neue Designs diskutieren. Heute haben wir eine professionelle Hand zur Hilfe, Simon erklärt uns, wie wir unsere Produkte kalkulieren können und müssen. Für mich ist das sehr interessant, weil ich immer noch von einem kleinen Geschäft träume. Unsere Näherinnen werden mit einem Dollar die Stunde vergütet und sie arbeiten acht Stunden am Tag. Es ist der Wahnsinn, dass unsere NGO KKO, ihre Angestellten fair bezahlt. Zum Beispiel bekommen die Arbeiterinnen bei H&M im Monat unter furchtbaren und undenkbaren Bedingungen nur 40Dollar als Vergütung.

 Aktuell arbeite ich an neuen Taschendesigns. Ich möchte eine kreisrunde Tasche mit Lochmuster erstellen. Ich arbeite immer noch eine akkurate Verarbeitung aus und versuche verschiedene Lösungen auszuprobieren. Es geht gut voran und ich denke in etwa zwei Wochen müsste ich ein ausgereiftes Design entwickelt haben. Ich kombiniere die Materialien unterschiedlich und versuche verschiedene Verarbeitungstechniken aus.

Dazu arbeite ich mit den Resten unserer jetzigen Verarbeitung. Zum Beispiel verarbeite ich kleine Überbleibsel zu Schlüsselanhängern, Ohrringen oder Ketten. Die Arbeit selbst bereitet mir immer noch große Freude, es ist so gesehen eine große Freiheit, ich darf jeden Tag kreativ sein und meine Kenntnisse an unsere Näherinnen weitergeben. Dennoch ist die Arbeit auch anstrengend, von allen Freiwilligen arbeiten wir am längsten, die Hitze wird immer unerträglicher und wir haben nur einen Ventilator, der nicht wirklich Abhilfe schafft. Dann ist der Arbeitsplatz für fünf Personen sehr klein und bei neun Stunden schuften, geht man sich schon mal auf die Nerven und die Motivation sinkt.

 

 

 

Khmer Hochzeit

Ansonsten haben Dylan und ich die Hochzeit von einen seiner Arbeitskollegen (Nana) gefeiert und es wurde wieder viel laute Musik gespielt und ganz viel Essen und Trinken serviert. Gegenüber von Dylans Bar ist ein Souvenir Geschäft, dort arbeiten viele niedliche Khmer Mädchen und bei Dylan hinter der Bar arbeiten viele junge Khmer Männer. Es ist witzig zu beobachten, wie da geflirtet wird und nun wird geheiratet. Jeder der Männer favorisiert eine andere Dame, es ist wirklich drollig.

 

Und wir bekommen fast jede Woche eine neue Einladung.

Mich schockiert gar nichts mehr, alles ist schon alltäglich und selbstverständlich. Nur muss ich nicht alles essen, denn gerade bei Hochzeiten auf dem Land, wird Viel und auch Undefiniertes serviert. Zum Beispiel Fischpaste aus Innereien. Ich konzentriere mich da lieber auf Frühlingsrollen und Reis mit Gemüse. Es war ein lustiger und lauter Abend. Meine Freundin Becky war auch dabei und wir hatten viel Spaß. Eigentlich war das ganze Team vom beatnik anwesend.

Osterbrunch

 

Ostern habe ich in meinem alten Zuhause mit meinen lieben Freunden verbracht. Wir haben uns dort zum Osterbrunch verabredet und es kamen viele nette Gäste und jeder hat etwas mitgebracht. Moritz hatte eine Woche zuvor Ostereier Farbe aus Deutschland zugeschickt bekommen und Freya hat liebevoll die Eier eingefärbt und bemalt. Zu netter Musik wurde dann gemeinsam auf dem schönen rooftop entspannt und wir haben Karten gespielt, viel geredet und gelacht.

 

 

Mein geliebtes Siem Reap unterliegt einem dauerhaften Wandel, dort wo vorher ein verfallenes Haus stand, entsteht in kürzester Zeit ein neues Hotel oder Geschäft. Der Markt mit den Touristen boomt und wächst stetig. Auch die staubigen Straßen werden Stück für Stück erneuert, so auch die Straße vor meinem Haus. Im Moment liegen dort nur kleine Steine und sie werden hoffentlich bald von einer Teerschicht überzogen, denn mit meinem Fahrrad ist es wirklich schwierig voranzukommen. Was ich wirklich genieße ist die Fahrt in der Dunkelheit, das Haus von Dylan liegt recht abgelegen und meistens bin nur ich und ein paar wilde Hunde unterwegs. Ich bin immer im guten Glauben, dass mir nie etwas zustoßen wird, so eine Art Glaube an einen Schutzengel mit Überqualifizierung. Gegen Feinde würde ich meine neuen Kampferfahrungen einsetzten und bevor ich ohne Licht auf eine Kreuzung radel, klingel ich aufgeregt, damit man mich hoffentlich hört.

 

Ich habe misslicher Weise von drei mir zugeschickten Fahrradlichtern keines mehr, auf unerklärliche Weise, habe ich offensichtlich alle verloren. Am Wegesrand gibt es keine Laternen, aber umso schöner ist es die vielen zauberhaften Glühwürmchen zu betrachten. In den grünen Gebüschen wimmelt es nur so von ihnen. Zuhause angekommen werde ich immer!!! herzlich von den Kätzchen empfangen und ich liebe sie so sehr. Es scheint, als hätten wir etwas gemeinsam, denn sie bevorzugen meine Anwesenheit und sind mir immer sehr nahe. Könnt ihr euch vorstellen, dass es mir bereits schwer fällt korrektes Deutsch zu sprechen, ich bin absolut im Englisch angekommen und bekomme bereits enorm viele Komplimente über meine Fortschritte. Ich beginne sogar in Englisch zu träumen und Musiktexte bekommen eine tiefere Bedeutung.

 

Besuch aus Bali

 Gestern war ein aufregender Tag, denn der Vater von Dylan ist zu Besuch in Siem Reap und ich konnte ihn endlich persönlich kennenlernen. Dylan war die Tage zuvor schon furchtbar aufgeregt, was ich wirklich niedlich finde, denn ich war definitiv viel aufgeregter.

 Als ich gestern völlig fertig von der Arbeit nach Hause kam, waren dann unerwartet Dylan und John (Papa von Dylan) schon in unserem Zimmer. Ich war so aufgeregt und schüchtern, dass ich kaum ein Wort sprechen konnte und Wahnsinn, ich dachte immer Dylan hätte schon einen starken Akzent, aber nun kenne ich John und wenn der furchtbar herzliche Mann was spricht, verstehe ich zu großen Teilen nur Bahnhof. Ich vergleiche das mit Berlin und Bayern.

 

Wir haben dann am Abend einen Cocktail getrunken und Tapas gegessen und ich habe John Löcher in den Bauch gefragt. Er hat auch von seinen deutschen Verwandten in Berlin (in der Bernauer Straße) gesprochen. Ich bin mir ganz sicher, wenn ich nach Berlin zurück komme, möchte ich sie kennenlernen, am liebsten natürlich mit meinem Dylan zusammen. John scheint Dylan zu großen Teilen ziemlich ähnlich zu sein und das macht großen Spaß. Er ist witzig und kann tolle Geschichten erzählen. Und er hat Lammkeulen genauso gerne, wie Dylan. Ich esse nicht gerne Lamm, denn die lieben Tiere sind viel zu süß, genau wie Hasen. John bleibt für eine Woche bei uns und wohnt ein paar Straßen weiter im schönen Babel Guesthouse. Dylan und ich haben einen tollen Plan ausgearbeitet und wir wollen möglichst viel unternehmen und ich möchte ihn natürlich noch mehr kennenlernen. Zur Zeit lebt er nicht in Darwin, sondern auf Bali und führt auch dort ein Hotel, er meinte gleich, wir sollen ihn dort besuchen kommen. Bali ist in nur fünf Stunden mit dem Flugzeug von Siem Reap aus zu erreichen.

 Dylan ist schon jetzt ganz aufgeregt und kann es kaum erwarten meine Familie im Juli zu begrüßen. Familie scheint ihm sehr wichtig zu sein und er steht seinem Vater und seiner Schwester sehr nahe, da er als kleiner Junge auf sehr traurige Weise seine liebe Mutter an Krebs verloren hat. Gestern waren wir dann gemeinsam in einem schönen französischen Restaurant. Es war sehr edel und ich habe ganz viel gegessen. Ich bin immer noch total schüchtern und das kann ziemlich lustig werden. Als mich der Restaurantbesitzer begrüßte und mich fragte, was ich gerne trinken würde, war ich so aufgeregt und verlegen, dass nur Coca Cola aus meinem Mund rauskam. Alle fanden das amüsant und niedlich, aber ehrlich die ganzen Weinmarken kenne ich noch nicht ! Und ich denke meine Reaktion (inklusive rot anlaufen) war zwar witzig, aber auch sehr liebenswert. Dylan fand das klasse, aber er meinte ich solle beim nächsten Mal sagen, dass ich zum Start eine Cola möchte und vielleicht später noch ein anderes Getränk.

Im Anschluss sind wir noch in die Bar von Dylan gefahren. Es war ein richtig schöner Abend und der Vater hat mit mir angestoßen und mich in der Familie Willkommen geheißen. An den folgenden Tagen waren wir immer in einem neuen Restaurant und an einem traumhaften Pool.

Ich habe die Zeit sehr genossen und mich gefreut John kennenzulernen. Und wer weiß, vielleicht sieht man sich auf Bali mal wieder !?

 

KKO Khmer New Year

Die ganze Stadt steckt in den Vorbereitungen. Überall wird die Nationalflagge aufgehängt und an jedem Gebäudeeingang werden symbolisch bunte Sterne aus Papier an der Tür befestigt. Die erste Feier an der ich teilnehmen durfte, war die von KKO. Am Donnerstag sind alle raus aufs Dorf gefahren und haben gemeinsam das Grundstück mit bunten Luftballons geschmückt. Dazu wurde eine kleine Bühne aufgebaut und ich habe mit den Frauen das Geschirr abgewaschen, welches zuvor von den Frauen aus dem Tempel abgeholt wurde (nur geliehen für die Feier). Ich hatte großen Spaß, dar es immer noch für viele Kinder aus den Dörfern eine Neuheit ist, eine weiße Frau zu sehen.

 

Die Kinder sind goldig und lebensfroh, sie kommen zu mir gerannt und schreien laut: „hello,hello!“. Ich habe mich wie ein Teil der großen KKO Familie gefühlt und das viele Geschirr hat sich wie von selbst abgespült.

Am nächsten Tag ging es dann um 9:00Uhr früh schon los. Freya und ich waren scheinbar völlig durcheinander, denn wir dachten eine Neujahrsfeier würde wohl eher um 21:00Uhr starten. So sind wir beide nacheinander auf Arbeit erschienen und haben uns gewundert, dass niemand dort ist. Anschließend sind wir ohne uns zu wundern wieder nach Hause gefahren. Nach einem ausgiebigen Frühstück wurde uns das dann doch komisch und wir haben versucht jemanden zu erreichen.

 

Irgendwann hat sich dann Paul, der andere Freiwillige aus der Motorradwerkstatt von KKO gemeldet und meinte, alle seien bereits seit mehreren Stunden auf dem Dorf und die Feier hat bereits gestartet. Freya und ich sind daraufhin sofort losgefahren. Die Sonne brannte heiß und die Luft war trocken, der lange Weg mit dem Fahrrad fiel uns beiden schwer. Durchgeschwitzt und völlig verspätet sind wir dann angekommen und haben uns vorerst mit einem Eis abgekühlt. Leider haben wir die schönen Vorführungen von den Kindern und Lehrern verpasst. Phary hat uns dennoch die Videoaufnahmen gezeigt und es war wirklich putzig, schade, dass wir beide so verplant waren, aber zum Glück war es nicht nur ich. Dann wurde viel getanzt, gegessen und es wurden Spiele gespielt. Tauziehen und Sackhüpfen waren mit von der Partie. Während alle wild durch die Gegend rannten, wurden alle Gäste mit Wasser bespritzt, es war so angenehm und wohltuend, denn die Hitze ist wirklich zu großen Teilen kaum erträglich. In der Sonne misst man 43Grad. Da kann sogar ein einfacher Holzstuhl zur Qual werden. Es war eine kurze Feier, da wir einfach alles verpasst haben, aber dennoch war es eine schöne Zeit.

Happy Khmer New Year 2016 !

 

Happy New Year ! Vier Tage lang (13.04-16.04) war die ganze Stadt im Ausnahme Zustand. Es war nahezu unmöglich im Verkehr voranzukommen und immer wieder stauten sich große Massen von Bussen, Autos und dazwischen Motos. Teilweise musste ich 30min warten, bis es weiter ging und eine Lösung gab. Die ganze Pup Street war voller Menschen, hauptsächlich Einheimische. Die eigentlich westlich geprägte Party Zone, war überfüllt von Khmern und überall wurden Khmer Songs gespielt. Dazu waren alle mit einer Wasserpistole ausgestattet und einer Flasche Babypuder.

Überall wurde gegenseitig geschossen, sogar während der Fahrt. Zu später Stunde war der Alkoholspiegel bei allen Partygästen mächtig gestiegen. Auch ich habe es zu spüren bekommen, denn auf meinem Weg ins beatnik wurde ich von hinten überwältigt und habe eine große und volle Hand Babypuder in mein Gesicht – geklatscht! bekommen. Das hat nicht nur weh getan, es hat auch herrlich in den Augen gebrannt. Das war mein erster Eindruck am ersten Tag von der langen Feierei. Ich habe mich dann eigentlich nur zurückgezogen und am letzten Abend habe ich die Menschenmassen vom Bartresen aus beobachtet. Ich beobachte gerne und bin nicht gerne in großen Menschenansammlungen.

Die umliegenden Restaurants wurden vorsichtshalber geschlossen und die Bühne musste vorzeitig schließen, weil das Babypuder die Boxen versperrte. Die Straßen waren komplett nass und weiß eingepudert. Man kann Khmer New Year aber auch anders verbringen. Zum Beispiel bin ich mit Dylan zum Sonnenuntergang nach Angkor Wat gefahren. Alles war dort bunt geschmückt und mit vielen Lichtern verziert. Ab 17:00Uhr kann man kostenlos in den Ankor Park fahren. An den Bäumen hingen bunte Lichter und auf der Treppe vor dem Haupteingang wurde Happy New Year in Khmer geschrieben. Alles wurde eindrucksvoll beleuchtet. Zwar waren auch dort Menschenmassen, aber es gab zum Glück keine Wasser- und Babypuderschlacht. Es war sehr schön und romantisch. Ich liebe die magischen Tempelanlagen, schon auf dem Gelände fühlt man eine ganz bestimmte Aura.

 

Die vier Tage waren für mich also mehr entspannend und es hat sich auch komisch angefühlt, Neujahr im April zu zelebrieren. Heute ist schon der 21.04.2016, Hilfe die Zeit rennt ! Für alle, die sich Sorgen machen, mir geht es wirklich super. Ich vermisse zwar meine Familie, aber ich freue mich schon auf meinen Besuch aus Deutschland ! Es ist so herrlich hier und das gemeinsame Wohnen mit Dylan funktioniert so klasse und ist immer noch so aufregend. Ich melde mich weniger, aber nicht weil es mir schlecht geht, sondern, weil mir jede Sekunde so wichtig ist und ich meinen Laptop nicht zu viel Aufmerksamkeit schenken möchte. Mit Spannung verfolge ich die verpassten Familienfeiern in Deutschland und freue mich über die vielen Fotos, es gibt mir das Gefühl dabei zu sein.

Also alles prima hier und macht euch bloß keine Sorgen ! Ich zähle die Tage bis zum Rückflug (24.08) und ich habe jetzt schon Panik, keinen Anschluss mehr in Berlin zu finden. Ich liebe Siem Reap und die Menschen, alles ist so anders und viel einfacher, fast menschlicher. Ich habe keine Lust auf Kaltland, aber ich freue mich auf meine liebe Familie, die mir jeden Tag fehlt !!!

Seit umarmt und genießt den schönen Frühling !